Michael Lassel der wohl bedeutendste Trompe-l’oeil-Maler unserer Zeit

Der Beschauer wird von einem Bild getäuscht, dessen Realität im Wesentlichen von dem fiktiven Raum zwischen dem Gemälde und dem Auge des Betrachters geprägt ist. 

Der Künstler Michael Lassel verzaubert mit seinen Werken den Beschauer, schenkt ihm ungeahnte Illusionen und entreißt die gemalten Objekte der Wirklichkeit. Die Qualität seiner Malerei, die sich technisch mit den besten Bildern der altmeisterlichen  Malerei dieses Genres vergleichen lässt, führt zu dieser sprichwörtlichen Sinntäuschung der Augen. Der Faktor Zeit, in unserer schnelllebigen Ära eine so wichtige Rolle spielt, hat hier seine Bedeutung fast verloren. Michael Lassel „verwendet“ bis zu einem Jahr als Arbeitszeit für ein großformatiges Gemälde. Seine Bildschöpfungen sind große gemalte Miniaturen par excellence. Die das vertikale Bildformat betonenden Raumanordnungen der im Mittelpunkt stehenden Objektpyramide lehnen sich an klassische Vorbilder an. Die manchmal altarmäßig aufgebauten Objekte verführen zum „Anfassen und Herausnehmen“. In einem Spiel von Licht und Schatten erfährt das bestimmbar Vertraute eine neue Dimension. In Glaskugeln, Lupen- und Uhrengläsern spiegeln sich raffinierte optische Effekte, die eine nahezu peinliche Akribie der malerischen Wiedergabe voraussetzt,

In Michael Lassels Bildern schwingt eine Ironie mit, die jegliche präzise Deutung zurückweist. In den Kunstwerken widerspiegeln sich der Suchende und Findende, der Lachende und Weinende, ein Kommen und Gehen, Integration und Differenzieung, Explosion, Auseinanderbrechen, Zerfließen, Vergehen – häufig mit einem VanitasAnklang verbunden. Das logischzwingende Gegenüber von Licht und Dunkelheit, Nähe und Ferne, Realität und Fiktion, gereift in kaum nachvollziehbarer Plastizität und Farbbrillanz.

Die Technik seiner Malerei orientiert sich an altmeisterlicher Vorgabe, relativ grobe, qualitätvolle Leinwand mit auffallend starker Grundierung und zehn- bis zwölffacher Übermalung. Alle Materialien, die Lassel verwendet, sind von höchster Qualität – geriebene feinste Farbpigmente aus gemahlenen Edelsteinen, oder Kobaltviolett, das Kilo kostet mehr als Tausend Euro. Walnußöle aus Frankreich, andere Farbpigmente aus den Niederlanden und Übersee. Seine Bilder – lässt der Künstler verlauten – überdauern material- mäßig nicht nur Menschenleben, sondern viele Jahrhunderte. Im Gegensatz zur speziellen Maltechnik von Fotorealisten, die für ihre optische Täuschung Fotos als Vorlagen einsetzen, malt Michael Lassel seine Bilder alleine durch die immerwährende Betrachtung aller optisch möglichen Aspekte der alltäglichen Gegenstände, ihrer Anordnung, der verschiedenen darzustellenden Materialien, dem Wechsel zwischen Licht, Schatten, Farben und Perspektive.

Michael Lassel wurde 1948 in Ludwigsdorf in Siebenbürgen (heute Rumänien) geboren. Er absolvierte das musische Gymnasium in Neumarkt am Mierisch und studierte von 1970 bis 1974 an der Kunstakademie Bukarest bei Professor Cornelius Baba. Anschließend arbeitete er als Kunsterzieher am Deutschen Gymnasium in Schäßburg. Seine beantragte Übersiedlung nach Deutschland beantwortete das kommunistische Regime mit „Freistellung“, was einem Berufsverbot gleichkam. Nur durch den Verkauf und Tausch von eigenen Graphiken konnte er in Rumänien überleben. Im April 1986 durfte er endlich das Land verlassen. Heute lebt Michael Lassel in einem Vorort von Fürth bei Nürnberg. Zahlreiche nationale und internationale Ausstellungen machten ihn weltweit bekannt. Nürnberg, Erlangen, Fürth, Pommersfelden, Bad Honeff, Speikern, München, New York, Paris, Nancy, Genf, Bezier, Metz, Remagen, Luxemburg, Bonn, Saarbrücken, Vittel, Aix-en-Provence. Zwischenzeitlich, von einem bekannten Galeristen vertreten, sind seine Bildschöpfungen in Paris, New York, Singapur und zukünftig auch in Malibu zu sehen. Die Verkaufspreise seiner großformatigen Gemälde von bis zu 100000 Euro werden verständlich, wenn man die einzigartige Qualität und den enormen Zeitaufwand berücksichtigt, den der Künstler seinen Werken schenkt.

Sein bisher gemaltes OEuvre zur Trompel’oeil-Malerei umfasst einschließlich einiger kleinerer Bilder etwa 70 Ölgemälde, denen viele Entwürfe, Skizzen und Vorzeichnungen   vorausgingen.   Auf   dem   Gemälde „Glücksbringer“, hat sich der Künstler selbst verewigt. Zwei tote Eichelhäher mit einem Haselnußast bilden die Kopfbedeckung. Hinter dem Selbstporträt eine Wand aus hölzernen Drucklettern, vor der Brust des Malers eine durchbrochene Holzlattenbarriere, welche die gesamte morbide Holzmaserung wiedergibt, einschließlich eines Stücks aufgeklebter und sich ablösender Zeitung mit Personenfotos. Die rechte Hand des Künstlers hält ein Einmachglas gefüllt mit Kleinmünzen. Auf der Zunge des offenen Künstlermundes liegt eine weitere Münze, die dieser wohl gerade in das Glas „spucken“ möchte. Alles ist zum Greifen überrealistisch sichtbar. Nimmt man eine gute, großflächige Lupe zur Hand, um seine Bilder näher zu inspizieren, dann offenbaren sich nochmals die Feinheiten seiner Malerei en miniature (hier auf großer Bildfläche). In einem seiner Bilder, auf dem ein ca. 6 cm langer Mauersims in Miniatur dargestellt ist, erkennt man feinste Schmutzpartikel, die der Künstler in Lupenmalerei aufgetragen hat. Die Goldmedaille bei der Weltausstellung für Malerei in Metz 1990, die er aus der Hand einer Tochter von Picasso erhielt, ist nur eine Auszeichnung von vielen, die seinen inzwischen internationalen Ruhm bestätigen. Wenn seine Werke heute neben jenen von Chagall, Botero, Picasso und anderen weltberühmten Künstlern angeboten werden, hat dies an der Bescheidenheit von Michael Lassei nichts geändert.

Peter G. Schatzmann: Michael Lassel. Der wohl bedeutendste Trompe-l’œil-Maler unserer Zeit

In: Weltkunst. Die Zeitschrift für Kunst und Antiquitäten 6 / 2003, S. 865.