Fantastische Wirklichkeit

Ein symbolträchtiger Turmbau zu Babel: Das illusionistische Gemälde von Michael Lassel ist im Wasserschloss Bad Rappenau zu sehen.

Bad Rappenau – Schuhsohlen türmen sich zu einem kegelförmigen Berg, der bekrönt ist mit Fotografien von Verstorbenen. Und zu dessen Füßen alte Stiche von Weltkarten liegen und die Reproduktion des berühmten Gemäldes „Turmbau zu Babel“ von Pieter Breughel.

Dass es hierbei nicht nur um malerisches Können im Sinn der Illusion von Wirklichkeit geht, dürfte dem Betrachter sofort klar sein. Zu sehen ist dieses symbolträchtige Bild von Michael Lassel (Jahrgang 1948) zusammen mit Arbeiten von fünf weiteren Künstlern im Wasserschloss Bad Rappenau.

Unter dem Titel „Der verführte Betrachter – Die Trompe-l’oeil-Malerei in der Gegenwart“ zeigen sie eine Kunst, die eine fantastische Wirklichkeit täuschend echt vor Augen führt.

Ob es sich um eine in die Brüstung eines Marmorgewändes geschnittene Inschrift „Blütenmelodie in Weiss-Moll“ des Architektur-Malers Wolfgang Harms (1950) handelt oder um die Schatten der in einem Regal fein säuberlich angeordneten exotischen Schnecken und Muscheln mit wissenschaftlicher Beschriftung von Hans Niklaus (1934): Immer ist eine raffinierte Augentäuschung im Spiel.
Altmeisterliche Techniken

Altmeisterliche Techniken

Möglich ist diese Illusion von Wirklichkeit nur durch altmeisterliche Maltechniken, die mit Detailgenauigkeit und präziser Darstellung der Glanzlichter und Schlagschatten einhergehen. Dazu kommt die illusionistisch gebrauchte Perspektive, wie sie Michael Lassel, der von der Zeitschrift „Weltkunst“ als „wohl bedeutendster Trompe-l’oeil-Maler unserer Zeit“ beurteilt wurde, darstellt: In seinem Ölbild „Stein der Weisen“ spielt die fantastische Szenerie vor der Kulisse einer antikisierenden Bogenarchitektur, die perspektivisch weit in die Tiefe des Bildes führt und teilweise auf Büchern als Sinnbild der Gelehrsamkeit aufgebaut ist. Der im Vordergrund wiedergegebene Monarch als Alchimist verwandelt sie in Macht, die auf der Labilität eines Kartenhauses aufgebaut ist.

Üppige Stillleben

Die Arbeiten von Jo Niklaus (1941) erinnern in ihrer stilllebenartigen Anhäufung von Alltagsgegenständen an die Trompe-l’oeil-Malerei der holländischen Meister des 17. Jahrhunderts, deren Gegenstände ebenso zufällig angeordnet wirken wie ihre.

Ein bisschen aus dem Rahmen der ausgestellten Künstler fällt Joachim Lehrer (1954), dessen romantisch-fantastische Naturlandschaften mit Relikten menschlicher Zivilisation gefüllt sind: Zivilisationsmüll als Antipode zu „Das gelobte Land“, so der ironische Titel eines seiner Bilder, womit wir wieder in der Wirklichkeit der Gegenwart angelangt sind.

Die Ausstellung im Wasserschloss Bad Rappenau (geschlossen bis 7.Januar)
dauert bis 31. Januar, geöffnet mittwochs von 18 bis 22 Uhr, freitags, samstags und sonntags von 14 bis 20 Uhr.
02.01.2010

Von Martina Kitzing-Bretz